Mehr Hausärzte und Medizinstudienplätze braucht das Land – Projektgruppe trifft KVN
Die Projektgruppe „Ambulante ärztliche Versorgung“ des CDU-Kreisverbandes Cloppenburg hat sich bei ihrem zweiten Treffen mit der Geschäftsführerin der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen im Bezirk Oldenburg, Dr. Sainab Egloffstein, ausgetauscht. Im Schwerpunkt ging es dabei um den Versorgungsgrad der niedergelassenen Haus- und Fachärzte im Landkreis Cloppenburg. Ziel der Projektgruppe um Agnes Menke (Löningen), Hermann Schröer (Cloppenburg), Dirk Koopmann (Garrel), Jann Christian Hegewald (Friesoythe) und Eike Friebert (Kreisgeschäftsführer) ist es, fundierte Hintergrundinformationen von ihren Gesprächspartnern zu erhalten, um daraus möglichst konkrete Handlungsempfehlungen abzuleiten, die vom Landkreis und den Gemeinden vor Ort umgesetzt werden können und/oder an die zuständigen Entscheidungsträger in Bund und Land herangetragen werden.
Dr. Sainab Egloffstein führte anhand aktueller Zahlen aus, dass der Versorgungsgrad beispielsweise bei Frauenärzten und Internisten verhältnismäßig gut sei. Dagegen sei die Versorgungslage bei den Haus- und Kinderärzten im Landkreis ein großes Problem. Das läge unter anderem an der abnehmenden Attraktivität einer Selbstständigkeit. Neben der generell hohen Arbeitsbelastung sowie großen Verantwortung sei dies insbesondere auf stetig zunehmende Bürokratie und Prüfungen seitens der Krankenkassen zurückzuführen. „Es kann nicht sein, dass jemand aufgrund von Bürokratie kein Hausarzt wird. Wir werden dieses Thema auch noch einmal mit aktiven Hausärzten besprechen und was Politik tun kann, um hier besser zu werden. Wir müssen davon wegkommen nur Probleme zu beschreiben, sondern müssen über Lösungen nachdenken, die schnellstmöglich umsetzbar sind“, so der Projektgruppenleiter und stellvertretende CDU-Kreisvorsitzende Hermann Schröer.
Dr. Egloffstein erläuterte den CDU-Vertretern, dass die KVN mit Blick auf drohende Versorgungslücken eine strategische Personalbedarfsplanung betreibe. So erhebe die KVN einmal jährlich einen fiktiven Versorgungsgrad, bei dem alle Ärzte über 63 Jahren herausgerechnet würden. So sollen bevorstehende Pensionierungen frühzeitig in der Planung berücksichtigt werden. Falle beispielsweise der Versorgungsgrad der Hausärzte, in dieser fiktiven Rechnung in einem Bezirk unter 75%, würden zusätzliche, geförderte Hausarztsitze ausgeschrieben. Eine solche Förderung könne einen Investitionskostenzuschuss von bis zu 60.000 € umfassen. Die Maßnahmen des Landkreises Cloppenburg, der u.a. ein eigenes Medizinstipendien-Programm anbietet und über ein Förderprogramm Praxisgründungen unterstützt, bezeichnete Dr. Egloffstein als „sehr umfassend“.
Mit Blick auf mögliche Anreize zur Anwerbung von Hausärzten wies Dr. Egloffstein darauf hin, dass diese bedarfsgerecht sein müssten. Eine gute und verlässliche Kinderbetreuung, ein umfängliches Schulangebot sowie verfügbare Baugrundstücke seien wichtige Kriterien bei der Auswahl für einen Standort. „Viele unserer Städte und Gemeinden bieten genau diese Anreize, bewerben sie aber noch nicht offensiv genug. Deshalb sind jetzt wirksame Informationsoffensiven auf allen Kanälen gefragt“, so Jann Christian Hegewald, der auch im „Netzwerk Gesundheit Friesoythe“ aktiv ist.
Das Projektgruppenmitglied Dirk Koopmann aus Garrel wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es keinen Überbietungswettbewerb zwischen verschiedenen Kommunen geben dürfe. „Am Ende macht es für die Versorgungslage keinen Unterschied, wenn eine Haus- oder Kinderarztpraxis von einer Gemeinde in die andere zieht. Das verursacht nur böses Blut.“ Hier müsse man sich gemeindeübergreifend an einen Tisch setzen, um zu guten Lösungen im Sinne der Menschen zu kommen. Ein gelungenes Beispiel sei der Kinderarzt Dr. Sebastian Pfahl, der weiter in Garrel praktiziere, aber einen neuen Praxisstandort in Cloppenburg errichte.
Kritisch betrachtete die KVN-Vertreterin den Studienplatzabbau, der über Jahrzehnte hinweg deutschlandweit an medizinischen Fakultäten stattgefunden habe. Hier müsse dringend gegengesteuert werden. So zeige die renommierte Studie unter Regie von Professor Stephan L. Thomsen von der Leibniz Universität Hannover auf, dass die Anzahl der Hausärztinnen und Hausärzte bis zum Jahr 2035 auf rund 3.750 von jetzt 5.044 sinken werde. In der fachärztlichen Versorgung werde es starke Tendenzen in Richtung Unterversorgung in den ländlichen Planungsbereichen geben. Selbst wenn ab sofort alle angekündigten Maßnahmen, u.a. mehr Studienplätze und eine Landarztquote ab 2023, vollständig umgesetzt würden, sei erst nach 2035 mit spürbaren Effekten zu rechnen. Die aktuellen Initiativen auf Niedersachsenebene, die bereits in Zeiten der Großen Koalition auf den Weg gebracht wurden, begrüßte sie aber außerordentlich.