1 Jahr Ukraine-Krieg: Keine Panikmache vor nuklearer Eskalation – Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter diskutiert mit Kreis-CDU
Der CDU-Kreisverband Cloppenburg hatte alle interessierten Bürgerinnen und Bürger zu einer digitalen Diskussionsveranstaltung mit dem renommierten Verteidigungs- und Sicherheitsexperten Roderich Kiesewetter MdB eingeladen. Unter dem Titel „1 Jahr Krieg in der Ukraine – Wie ist Frieden möglich?“ informierte Roderich Kiesewetter, der selber 27 Jahre Bundeswehrsoldat war und durch seinen Wechsel in die Bundespolitik mit dem Dienstgrad Oberst im Jahr 2009 aus dem aktiven Dienst ausschied, über den aktuellen Sachstand und lieferte spannende Einblicke und Hintergründe. Die Moderation übernahm der Kreismitgliederbeauftragte Dr. Christoph Penning.
Derzeit ist er aus der öffentlichen Debatte um den Ukraine-Krieg nicht wegzudenken: Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Sicherheits- und Verteidigungsexperte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Roderich Kiesewetter. Im Rahmen einer digitalen Diskussionsveranstaltung sprach er mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmer über Russlands Kriegsziele, die aktuelle Stimmung in der Ukraine sowie insbesondere die Rolle Deutschlands und seiner Verbündeten in diesem Krieg: „Deutschlands unklarer Kurs rührt auch daher, dass wir keine eindeutig definierten Ziele in diesem Krieg haben. Und Olaf Scholz hält sich auffallend bedeckt“, kritisierte Kiesewetter die aktuelle Linie der Ampelregierung und des Bundeskanzlers. Deutschland spiele derzeit nach seiner Einschätzung keine wichtige Rolle in diesem Konflikt mehr: „Die USA leisten zehnmal mehr Unterstützung als ganz Europa zusammen, das muss man sich klar machen“.
Die Ukraine habe ihre Kriegsziele indes klar abgesteckt: Die Rückkehr zu den Grenzen von 1991, also inklusive der völkerrechtswidrig durch Russland annektierten Halbinsel Krim und der vollständige Rückzug der russischen Truppen vom ukrainischen Territorium. „Die Ukraine kann nach den abscheulichen Kriegsverbrechen Russlands schlichtweg nichts Geringeres mehr diplomatisch einfordern“, berichtete der Sicherheitsexperte, der diesen ukrainischen Kurswechsel hautnah miterlebte, als er zusammen mit Friedrich Merz im Mai 2022 die Ukraine besuchte. Zuvor war die Ukraine auch mit Blick auf die Krim und die seit 2014 besonders umkämpften Gebiete im Osten des Landes in den Regionen Donetzk und Luhansk zu weitgehenden Zugeständnissen gegenüber Russland bereit gewesen. Danach zeigten fürchterliche Kriegsverbrechen in Butcha, Irpin und Mariupol, dass Russland die gesamte Ukraine auslöschen will, und machten den Kurswechsel nötig.
Wladimir Putin setze darauf, dass es bei uns und anderen Verbündeten infolge steigender Flüchtlingszahlen und massiver hybrider Angriffe und Desinformation irgendwann gesellschaftlich nicht mehr akzeptiert werde, die Ukraine aktiv zu unterstützen. Zudem wolle er die Ukraine „zermürben“: Allein zwischen Juni 2022 und Januar 2023 habe er über 30.000 zivile Ziele angegriffen und nur rund 300 militärische. Das zeige, dass der Krieg sich nicht gegen militärische Einrichtungen richte, sondern gezielt gegen Schulen, Kindergärten Krankenhäuser oder Elektrizitäts- und Wasserwerke. „Besonders fürchterlich“, so Kiesewetter weiter, „sei auch die massenhafte Kindesentführung durch Russland“. Die Dunkelziffer, die das Deutsche Rote Kreuz erwägt, liege bei rund 100.000. Zudem würden Vergewaltigungen als Waffe gegen Frauen und Männer eingesetzt und mobile Krematorien benutzt, um russische Kriegsverbrechen zu vertuschen.
„Das ist auch der Knackpunkt, warum die Ukraine zu keinem Waffenstillstand bereit ist – denn dort, wo die russischen Truppen sind und keine ukrainischen Einheiten mehr, gehen Flucht, Vertreibung und Kriegsverbrechen weiter. Wir laufen daher in einen Ermüdungs- und Ermattungskrieg rein“, schlussfolgerte Kiesewetter.
Deutschland täte vor diesem Hintergrund gut daran, nun klare Ziele zu definieren. Aus Sicht der Union müssten dies folgende Punkte sein: Generell die Wiederherstellung der ukrainischen Souveränität von 2013, die vorübergehende internationale Verwaltung der Krim, keine Akzeptanz russischer Landgewinne infolge des Angriffskrieges, verlässliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine mit dem Ziel der NATO-Mitgliedschaft sowie last but not least eine strafrechtliche Verfolgung der Kriegsverbrechen und Reparationen. Neben Waffenlieferungen könne Deutschland besonders im Bereich des zivilen Wiederaufbaus wichtige Unterstützung leisten und müsse die zivile und militärische Hilfe Europas koordinieren.
Auch mit Blick auf die angekündigte Stationierung von russischen Atomraketen in Weißrussland sah der erfahrene Berufssoldat und Verteidigungspolitiker keinen Grund zur Panik: „Lassen Sie sich von Nachrichten rund um Atombombendrohungen nicht verrückt machen. Putin weiß genau, dass vor allem in Deutschland diese Art der Angstmacherei auf fruchtbaren Boden trifft. In anderen Ländern wie Finnland oder den baltischen Staaten spielt das überhaupt keine Rolle, weil sie seit Jahrzehnten diese Drohgebärden kennen und damit leben.“